Informationen zu Ängsten und Angststörungen:
soziale Angststörung

Barbara Meier

 

 

  Was ist eine soziale Angststörung (soziale Phobie)? Start
 

Angst in sozialen Situationen ist ein weit verbreitetes Phänomen. Viele Menschen kennen eine gewisse Unruhe, Anspannung und Aufregung vor Situationen, in denen sie von anderen Personen wahrgenommen und beurteilt werden: Typische Beispiele sind etwa Vorstellungsgespräche, das Sprechen vor einer Gruppe aber auch die Kontaktaufnahme mit Unbekannten. Im ‚Rampenlicht’ zu stehen ist zwar für viele Menschen mit Unbehagen verbunden, für Menschen jedoch, die unter einer sozialen Angststörung leiden, sind diese Situationen so sehr mit Angst besetzt, dass sie sie nach Möglichkeit zu vermeiden versuchen oder nur unter grösstem psychischem Aufwand durchstehen können. Gemeinsamer Nenner solcher gefürchteter sozialer Situationen ist, dass man mit einer oder mehreren anderen Personen zusammentrifft, von ihnen wahrgenommen wird, und dass die Anderen sich ein Urteil bilden – in der Befürchtung Betroffener bezeichnenderweise ein negatives, beschämendes und demütigendes Urteil. Die Sorge darüber, wie eigenes Auftreten und Leistungen bewertet werden, kann sich auch in vielen weiteren Situationen des Alltag zeigen und intensive Angst auslösen: Essen und Trinken in der Gesellschaft  Anderer, eine Unterschrift leisten am Postschalter, in einem Restaurant in der Mitte sitzen, öffentliche Toiletten aufsuchen u.v.a.m.
Gehemmt, Reserviertheit und Zurückhaltung in sozialen Situationen sind auch Merkmale von Schüchternheit. Meint Schüchternheit das selbe wie soziale Angst? Die Antwort ist nein, aber es gibt Ähnlichkeiten. Man geht heute von einem fliessenden Übergang von Schüchternheit zu sozialer Angst und sozialer Angststörung / Phobie aus, mit zunehmender Belastung und Einschränkung. Von einer sozialen Angststörung oder sozialen Phobie spricht man dann, wenn Furcht vor Demütigung und Peinlichkeit in sozialen Situationen zu einer dauerhaften intensiven Angst führt, die Konfrontation mit den Situationen heftige Angstreaktionen auslöst, Betroffene darum wissen, dass die Angst unbegründet oder übertrieben ist, gefürchtete Situationen nur mit grösster Mühe durchstanden werden können oder ganz vermieden werden, und die Angst die normale Lebensführung und Lebensqualität stark beeinträchtigt.
Die soziale Angststörung zeigt sich in zwei Formen, als generalisierte Phobie, bei der Betroffene die Ängste in sehr vielen sozialen Situationen erleben, und eine diskrete (oder nicht-generalisierte) Phobie, bei der nur eine Situation (z.B. Reden vor einer Gruppe) mit Angst verbunden ist.


Panik und Agoraphobie

spezifische Phobien

Soziale Angststörung

Angst vor Krankheit

Generalisierte Angst

    Einige Fakten zur sozialen Angststörung  

Zwischen 8 bis 16% der Erwachsenen erkranken einmal in ihrem Leben an einer sozialen Phobie. Die Zahlen schwanken je nach der Definition, die für soziale Phobie verwendet wurde. Häufiger ist die nicht-generalisierte Form der sozialen Phobie. Frauen sind auch bei dieser Angststörung häufiger betroffen, doch sind die Unterschiede nicht so ausgeprägt. Soziale Angst ist kein Phänomen nur einer bestimmten Kultur, die (Sub-)Kultur prägt jedoch den Inhalt der Befürchtungen mit.
Wie entwickelt sich eine soziale Angststörung im Laufe einer Lebensgeschichte?
Soziale Angststörungen lassen sich bei den meisten Betroffenen ins frühe bis spätere Jugendalter zurückverfolgen. Nicht immer finden sich jedoch negative Erfahrungen in der Lebensgeschichte, die den Beginn der sozialen Angst markieren. Und nicht immer führen solche negative Erfahrungen zur Entwicklung von sozialer Angst. Es gibt nicht den Werdegang einer Sozialphobie. Vielmehr muss man wie bei anderen Angststörungen auch von einem komplexen Zusammenspiel von anlagemässigen und biographisch erworbenen Verletzlichkeiten von Personen und ihren Lernerfahrungen ausgehen. Wichtige Puzzleteile bei der Entwicklung sozialer Angst sind: das Temperament eines Kindes (bedachtsam und zurückhaltend gegenüber neuen Erfahrungen), das soziale Umfeld (nicht-ermutigend, bzw. keine Gelegenheit für soziales Üben), starre Normen (wie ‚man’ sein muss / sich geben muss) und belastende Erfahrungen mit Bezugsgruppen (als Aussenseiter behandelt werden, ausgeschlossen sein).

 

Wie kann eine soziale Angststörung behandelt werden?

Menschen, die an einer sozialen Phobie leiden, verstehen häufig nicht, weshalb die Angst nicht kleiner wird, obwohl sie sich immer wieder mit den gefürchteten Situationen konfrontieren (müssen). Wie ist dieser vermeintliche Widerspruch zu der wichtigsten Strategie der Behandlung von Angststörungen, der Konfrontation (Exposition), zu erklären?
Vereinfachend gesagt begeben sich die Betroffenen zwar in die Situation, sind aber dort ‚nicht ganz bei der Sache’. Sie sind stark auf ihr Empfinden ausgerichtet (Selbstaufmerksamkeit), was eine genaue Wahrnehmung davon verhindert, was wirklich geschieht. Zudem treffen Betroffene gewisse Vorkehrungen und bedienen sich bestimmter Schutzmassnahmen, ohne die sie sich die Situation gar nicht zutrauen. Dieses sog. Scherheitsverhalten führt einmal dazu, dass man meint, ohne wäre es zur ‚Katastrophe’ gekommen (z.B. ohne dickes Make-up hätten alle das Erröten bemerkt und einen ausgelacht), andererseits sind manche Sicherheitsmassnahmen wiederum problematisch (wie z.B. Alkoholkonsum, andere nicht anschauen, wenn man spricht u.v.a.m) und die Anderen reagieren befremdet – womit sich die Befürchtung, aufzufallen und sich zu blamieren, erst recht bewahrheitet! Ein weiteres Hindernis für positive Erfahrungen ist das Gefühlsdenken, Betroffene orientieren sich an ihrem Gefühl statt an beobachtbaren Kriterien, um ihr Auftreten und die Reaktionen Anderer einzuschätzen. Schliesslich sind von sozialer Angst Betroffen bereits im Vorfeld und auch nach der Situation überaus und einseitig sensibilisiert auf Hinweise, die Befürchtungen bestätigen könnten (Erwartungsangst, negative Bilanzierungen).
Bei der Behandlung sozialer Angst geht es nun genau darum, diese Hindernisse zu bearbeiten und dann neue Erfahrungen in den Situationen möglich zu machen. Therapiebausteine sind dabei die Veränderung von Verhaltensweisen (Aufgeben von Sicherheitsverhalten), Arbeit an Denkmustern, an problematischen Annahmen und  Abbau von Selbstaufmerksamkeit. Es gilt auch hier: nur neue Erfahrungen in den gefürchteten Situationen können die Angst abbauen helfen, und nur Übung macht den Meister!

 

 
©B. Meier Zürich 2006 / 2018